Was für ein Theater: Over het IJ Festival 2015!
Yay! Das Projekt ‘ArtVenture NOMADIC & Daan Colijn’ ist mit dabei beim Over het IJ Festival 2015! Was? Ein Festival für Location-Theater und bildende Künste? Um ehrlich zu sein, ich hatte keine Idee wie ich mir das vorstellen sollte. Werden dann verschiedene Theaterhäuser nur für diesen einen Zweck gebaut oder muss man sogar von Theater zu Theater radeln? Weit gefehlt.. und doch so spannend! Das Abenteuer beginnt mit der kostenfreien Fähr-Überfahrt von Amsterdam Zentrum nach Amsterdam Noord mit dem Ziel NDSM-Werf. Willkommen in einem ganz anderen und hippen Teil der niederländischen Hauptstadt.
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Jeder kann es erleben!
Das Theater Festival “Over het IJ Festival 2015” bietet für Künstler aus den Bereichen Performance, Theater, Ausstellung und Interaktion eine Plattform ihre Künste und ihr Können zur Schau zu stellen. Das passiert oft auf ganz unterschiedlichen, teils spetakulären Bühnen, also hängend, kletternd, in der Luft oder zu Wasser. Kleine Baucontainer dienen als Mini-Theater und Kleinkünstler gestalten die Zeit und den Platz dazwischen. Doch gerade, aber nicht nur, für junge Künstler bietet es auch eine Chance sich auszutasuchen und sich kennen zu lernen. Auch für den Besucher ist so sehr einfach und angenehm mit den Künstlern direkt in Kontakt zu kommen und sich über deren Ideen hinter einem Projekt auszutauschen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass mehrere teilnehmende Projekte ein buntes Potpouri an Schauspielern und Theatermachern in ein einziges Projekt vereinen. Täglich zwischen ca. 18.00 und 24:00 Uhr kann man sich auf dem Gebiet rund um die NDSM Werf unterhalten lassen und ein tolles Sommerwochenende genießen, gegen einen kleinen Aufpreis am Einlass natürlich.
Project ArtVenture NOMADIC & Daan Colijn
So auch in der interaktiven Kunstinstallation “ArtVenture NOMADIC & Daan Colijn“. Wie darf man sich das vorstellen? 6 Künstler aus verschiedensten Bereichen der modernen, bildenden Kunst geben ein ausgewähltes Kunstwerk in die Obhut von Daan Colijn, Künstler Nummer 7. Die Kunst von Daan Colijn ist es, diese Kunsterwerke auf eine einmalige Art und Weise zu beleben und in eine artfremde, neue Umgebung, in diesem Fall auf dem alten, rostigen Fischerboot von Carolien Wissing, in einer Ausstellung zusammen zubringen. Licht, Ton und Animation, aber auch eine Portion Interaktivität, kreiren für jeden Besucher eine ganz individuelle Erfahrung. Eine einmalige Umgebung zusammen mit einmaligen Kunstwerken, einmalig fantastisch. Doch wer sind die teilnehmenden Künstler eigentlich? Genau darauf werde ich in diesem Artikel etwas genauer eingehen.

Die Künstler und Daan Colijn
Den Anfang mache ich mit meinem Namensverwandten, Karel Goudsblom. Als (Lebens-)Künstler und Besitzer einer alternativen Bäckerei beeindruckt mich sein Kunstwerk (‘ohne Namen’) vor allem durch seine Dimension (Ø 170 cm) sofort nach dem Betreten der Ausstellung. Höre ich Stimmen? Sehe ich tuschelnde Personen oder doch nur nackte Menschen?

Ich gehe weiter und werde von einem Schattenspiel eingefangen. Neugierig blicke ich durch den alten, rostigen Türdurchgang des Fischerbootes und sehe ein unerwartetes Schauspiel: Wie ein lebendiger Walfisch oder eine lebende Architektur wandelt diese Kunstwerk ‘Bussola’ von Jennifer Townley meditierend vor sich hin. Für Minuten hält mich der ‘Bussola’ in seinem Bann. Beeindruckend.

Ich werde immer neugieriger auf die Dinge, die der alte Schiffsrumpf wohl noch alles preisgeben wird. Ich vernehme Stimmen und sehe eine Zeichnung, nein.. eine Projektion. Interessiert lausche ich den Klängen und betrachte die sich selbst malende Zeichung. Und erahne einen Gegenstand durch die Plastikwand erblicken zu können. Ich laufe herum und verstehe: Meine Jahre in der Gesundheitspflege blitzen auf und ich beginne nachdenklich zu werden. Kaisu Koski schafft es mit ihrer Videoinstallation ‘Not to scale at all’ für einen Moment wieder das menschliche am Arztberuf und des vorangehenden Medizinstudiums erkennen zu lassen.

Als ich mich vom Werk abwende, entdecke ich im Raum gegenüber ein Gemälde oder Portrait. Neugierig geworden betrete ich den dunklen Raum. Es dauert einen kurzen Moment bis ich mich an die Dunkelheit gewöhnt habe. Meine erster Eindruck vom Werk: Interessant, aber schwer zu indentifizieren. Ich setze die vor dem Bild hängenden Kopfhörer auf und lausche. Beim Nachdenken, fange ich an meinen Daumnagel zu beißen. Und plötzlich wird mir alles klar! Der Photograph Alwin Piona mit seinem Fotodruck ‘The war within’ und der passenden Musik von Peter van der Velde lässt mich letzendlich den inneren Krieg gewinnen.

Nachdenklich laufe ich in Richtung Ausgang. Plötzlich beginnt links von mit eine Disco-Kugel zu leuchten. Was ist das? Ich betrete einen Raum und ohne Vorwarnung erhellen Leuchtstoffröhren das Szenario. Ich erschrecke und beim ersten Blick, noch geblendet vom Licht, meine ich hängende, leblose Menschenkörper zu sehen. Mit einer Gänsehaut und deutlich berührt, begreife ich die Kunst ‘The never ending story’ von Judith Heinsohn, die schon in meiner Heimatstadt Dresden eine Ausstellung in der Ostrale hatte durchführen können. Das Aluminiumzement mit Stahldraht eine solche Wirkung erzielen können. Wow.

Können Gemälde interaktiv sein?
War es das mit ArtVenture NOMADIC & Daan Colijn? Ich bin noch immer ziemlich berührt und laufe dem Ausgang entgegen. Dann sehe ich Treppen, die in den unteren Bereich des Bootes führen und ein Licht. Es geht weiter. Schon beim Hinuntersteigen breitet sich eine Spannung aus, die mich nicht mehr so schnell los lassen sollte. Ein Hirsch mit einem leuchtenden Geweih blickt mich erschrocken an. Ich nähere mich vorsichtig und erkenne ein wunderschönes Gemälde. Nach einem kurzem Moment erblicke ich Stufen links und rechts des Bildes, die in ein anderer Raum führen. Neugierig streife ich um die Ecke und erblicke Schiffselemente und einen wilden Baumwuchs. Die Natur scheint sich hier etwas zurück holen zu wollen.
Ich entscheide mich die anderen Treppen zu nehmen, um in den großen Raum zurück zu kommen. Sprachlos sehe ich eine leuchtende, lebendig wirkende Gemäldewand! Ich nähere mich und begreife im ersten Moment nicht, was hier passieren soll. Plötzlich: Wölfe, eine Frau am Fenster und ein rauchender Schornstein? Habe ich hier unter dem Licht mitten im Raum lange genug ausgeharrt, um die lebendigen Meisterwerke von Carolien Wissing und die Animationen von Daan Colijn zu erleben?
Und danach mit Aussicht!
Ich bin so beeindruckt von dieser Ausstellung und ziemlich durstig. Das Eröffnungswochenende hat hier in Amsterdam mit bis zu 36°C alle Erwartungen übertroffen. Gut, dass es auf dem Boot auch eine Bar mit kühlem Bier und Erfrischungsgetränken und eine Aussichtsplattform mit Sitzsäcken gibt.

Herrlich, der Ausblick auf das bunte Treiben und den Fährbetrieb auf der IJ ist ein lohnender Abschluss für dieses beeindruckende Erlebnis.